Nach vielen Nachfragen teilen wir heute ein paar Gedanken zum Thema Familienleben im Wohnmobil. Wir freuen uns über euer Feedback und Kommentare.

Grundsätzlich sollte beachtet werden, dass jede Familie ihre eigenen Dynamiken, ihre eigenen Strukturen und ganz individuelle Bedürfnisse hat. Deswegen sind allgemeine Aussagen zum Thema „Wie erledige ich dies oder jenes“ schwer zu treffen und helfen vermutlich auch nur einem Bruchteil der Familien weiter. Die Fragen drehen sich eigentlich meist um dasselbe Thema, nämlich Balance. Es wird gefragt nach Freiräumen, Regelungen, Zeiten. Die beste Antwort dazu wäre eigentlich: wie macht ihr es denn „normalerweise“? Und wenn dieses „normalerweise“ für euch zu Hause gut passt, dann schaut einfach wie ihr das im Wohnmobil umsetzen könnt. Dazu gehört eventuell ein wenig Kreativität, einfach dadurch dass die Ressourcen anders verteilt sind, aber es ist so gut wie immer möglich.

Darum geht es doch generell im Familienleben – wie kreiere ich ein gesundes Miteinander und schaffe eine Atmosphäre, in der sich alle Familienmitglieder wohlfühlen können, anerkannt und wertgeschätzt fühlen.

Das ist einer der Gründe, warum ich es schwierig finde, die Fragen nach Regeln oder Lösungen konkret zu beantworten. Die Bedürfnisse der Familien sind einfach zu unterschiedlich, und eine Antwort, die für Familie A gut und hilfreich ist, wäre für Familie B die schlichte Katastrophe. Trotzdem möchte ich ein paar konkrete Dinge vorschlagen – bitte gleicht das mit euren eigenen Bedürfnissen ab.

Tobende Kinder im Wohnmobil

Grundsätzlich ist es sinnvoll, wenn die Kids ihren Bewegungsdrang draußen austoben und nicht im Wohnmobil. Ihr werdet schnell merken, dass schon geringe Bewegungen bei Reisemobilen ohne feste Hubstützen einen deutlichen „Schaukel-Effekt“ bewirken können, der schon nach wenigen Sekunden die Nerven blank liegen lässt. Daher ist es wichtig, dass ihr ein gutes Gespür für eure Stellplätze entwickelt, besonders wenn ihr frei stehen wollt. Ein Parkplatz in der Stadt mag für Erwachsene praktisch sein, weil man morgens direkt vor dem ortsansässigen Bäcker steht, aber wenn das Kind keinen Fuß vor die Tür setzen kann, ist die Freude schnell verflogen. Versucht eher in der Nähe von Sport- oder Spielplätzen (am besten direkt daran oder daneben) oder fern ab von Straßenverkehr zu nächtigen, dann können die Racker ihren Bewegungsdrang sofort austoben. Im Allgemeinen ist es „einfach“ notwendig in gutem Kontakt zu seinen Kindern zu stehen – aber wenn ihr dies seid, dann verstehen Kinder sehr schnell, wann sie ihre körperliche Energie loswerden können, und wann es im Sinne aller besser ist, sich mit etwas anderem zu beschäftigen. Die Verantwortung dafür liegt natürlich bei den Erwachsenen.

Bedürfnisse Kinder verschiedenen Alters

Es ist nicht anders als zu Hause – wenn ein neues Geschwisterchen in die Familienkonstellation hinzugekommen ist, muss sich ein neuer Rhythmus mit der Zeit finden. (Und ist er erst einmal gefunden, ist es auch schon wieder Zeit für einen neuen.) Aus unserer Erfahrung heraus gewöhnen sich Geschwisterkinder Nummer 2-3-4 recht schnell daran, dass es eben nicht immer 100% ruhig ist zum Schlafen, eher im Gegenteil, sie wachen bei zu viel Ruhe eher wieder auf. Aber vielleicht mag euer großes Geschwisterkind in der Zeit, in der ihr ein kleineres hinlegt, etwas Besonderes im Reisemobil erledigen, vielleicht macht ihr eine gemeinsame Ruhepause, vielleicht ist Vorlesezeit? Unsere Kids lieben Arbeitshefte in jeder Form, mit Stickern, Buchstaben, Mathe-Rätseln etc. Versucht eure eigenen passenden Rituale zu finden! Das gilt übrigens auch für Fahrzeit – die wird von kleinen Kindern gern zum Schlafen genutzt, unsere älteren haben in der Zeit gern Kartenspiele gespielt oder gemalt.

Freiräume für jedes Familienmitglied

Ich denke es ist wichtig zu verstehen, ob ihr euch mit dem Wohnmobil im Familienurlaub befindet, oder ob ihr längere Zeit reist und das als Lebensstil begreift. Im letzteren Fall besonders werdet ihr euch schon von vornherein andere Gedanken zu dieser Frage gemacht haben, denn im „Urlaub“ ist doch oft die Dynamik aller Beteiligten eine etwas andere als im Alltag.

Normalerweise haben die Eltern mehr Zeit zur Verfügung, und jeder freut sich unterwegs auf unterschiedliche Dinge. Das Problem dabei besteht eigentlich nicht in den verschiedenen Bedürfnissen an sich, sondern an der mangelnden Kommunikation darüber, oder schon generell am fehlenden Selbstverständnis. Was brauche ich eigentlich selbst um mich wohl zu fühlen? Wann grenze ich mich selbst ausreichend ab oder wo müssen wir uns Hilfe organisieren? Eine Reise kann ein gefestigtes Schiff komplett ins Wanken bringen. Ich plädiere daher eindeutig dafür die Vorteile im Blick zu behalten, denn es kann uns auch unheimlich weiter bringen. Wir lernen uns selbst besser kennen, unsere Beziehung zu unseren Kindern. Was brauchen wir – was brauchen die Kinder? Wie finden wir einen Weg jeden in der Familie zu achten und wie können wir Kompromisse eingehen?

In unserem Fall sieht das zum Beispiel folgendermaßen aus: unser Sohn liebt Fußball und alles was damit zu tun hat. Sollten wir als Eltern in der „planenden Verantwortung“ nun völlig übersehen, dass er den ganzen Tag keine Möglichkeit hatte sich den Ball zu schnappen und spielen zu gehen, dann wird das über kurz oder lang nicht gut gehen. Das heißt nicht, dass man die Reiseroute nun minutiös vorher festlegen muss und sich nur von Stadion zu Stadion bewegt, aber es heißt ich muss im kurzfristigen Rahmen flexibel handeln und reagieren können. Ihr könnt euch natürlich viel Sightseeing vornehmen, aber meist ist man ab zwei Kindern als Eltern in der Defensive, was die Wahl der Ausflugsziele anbelangt. Und das ist auch völlig in Ordnung. Wir hatten beispielsweise einen wunderbaren Tag in Rom, haben etliches gesehen, aber alles „nur“ von außen, wie z.B. das Kolosseum. Wir sind drum herum gewandert und haben darüber gesprochen, einen kleinen Geocache gesucht und alle waren glücklich. Sollten die Kids in ein paar Jahren den Wunsch haben es sich genauer von innen anzusehen, so wird dann der richtige Zeitpunkt sein. Bis dahin empfehlen wir allen Santa Maria Capua Vetere, ein wenig kleiner, jedoch viel einfacher anzuschauen und zu erkunden mit kleinen Kindern! (Mehr Infos und Bilder hier Abenteuer in Capua ;-))

Es geht darum euch selbst zu kennen. Wenn es euer dringendes Bedürfnis ist, z.B. morgens laufen zu gehen oder ein Workout zu machen, dann sorgt dafür, dass ihr das vereinbar machen könnt, indem ihr vielleicht einen zeitlichen Rahmen festlegt und einen passenden Stellplatz wählt. (Für mich hieß das: wenn ich Yoga machen will, muss das jüngste Kind gestillt sein damit es beim Papa aushält, und ich brauche einen Platz/Wiese neben dem Wohnmobil, wo ich mich bewegen kann, im besten Fall eine freie Wiese für die großen Kinder zum Spielen.) Ich kann euch nicht sagen, WIE eure Kompromisse aussehen müssen, aber ich kann euch sagen, wenn ihr nicht darüber sprecht, dann wird über kurz oder lang Frust und Unzufriedenheit entstehen, und der wiederum wird von den Kindern gespiegelt, eine explosive Mischung!

Leben im Wohnmobil – was ist anders

Wie sich euer Alltag vom Wohnmobil-Leben unterscheidet, hängt davon ab, wie euer Alltag vorher aussieht. Für uns heißt mobiles Reisen: weniger Platz, weniger Ressourcen (Wasser, Waschmaschine), mehr Natur und Freiheit. Die Schlafsituation ist nicht so sehr anders für uns, da wir auch daheim ein Familienschlafzimmer haben – für die Kleinen Familienbett. Wir stellen euch verschiedene mögliche Grundrisse in unserem Ebook vor – ihr müsst mit den Kindern entscheiden, was für euch günstig ist. Unsere großen haben im Heck ein Stockbett und lieben ihre eigene Höhle. Jedes Kind hat einen Organizer an der Wand, in dem es kleine Schätze/Postkarten und Erinnerungen sammelt. Es kann notwendig sein,  euren Ablauf am Tag ein wenig umzugestalten, es macht z.B. Sinn, nach jeder Mahlzeit gleich alles wieder an seinen Platz zu bringen (generell für jede Tätigkeit), sonst ist einfach viel zu schnell Chaos, aber das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit und ergibt sich aus den praktischen Gegebenheiten der kleineren Küche etc. Ob ihr das als Einschränkung oder Abenteuer erlebt, hängt eigentlich nur von eurem Blickwinkel ab. Unsere Kinder schwärmen heute noch von einem Abend am schwedischen See mit Teebecher in der Hand – das ist was in Erinnerung bleibt, nicht dass ich um den Tee zu machen drei Handgriffe mehr brauche als zu Hause.

Das Thema Wäschewaschen regelt jeder individuell. Wir kennen Familien die tatsächlich Handwäsche durchführen. Wir haben das auch ab und an gemacht, aber dafür braucht es erstens Unmengen Wasser (was ich selten zur Verfügung habe) und Unmengen Zeit, die ich auch selten zur Verfügung habe. Wir haben uns meist für die Lösung Waschsalon entschieden und sind damit ganz gut gefahren – manchmal inklusive Trocknung, die Wartezeit haben wir mit Kochen der Mahlzeiten überbrückt. Waschmaschinen auf Campingplätzen sind im Süden meist ein Glücksspiel. Oft funktionieren sie nicht oder die Wäsche kommt nur unwesentlich sauberer heraus als ich sie reingesteckt habe. Hin oder her, es findet sich immer irgendeine Lösung.

Beschäftigung für die Kinder – digitale Medien

Wir sind der Meinung, dass digitale Medien zu unserer Gesellschaft und Kulturlandschaft gehören, meine Kinder sehen mich jeden Tag damit umgehen, und sie haben einen unkomplizierten Umgang damit. Es geht mir gar nicht so sehr in erster Linie um den zeitlichen Anteil, eher um die emotionale Bindung, die Kinder zu den Geräten aufbauen können. Wir möchten mit ihnen im Gespräch darüber bleiben.

Von daher können sie auf längeren Fahrten einen Film schauen, allerdings ist das keine Dauerbeschäftigung, und 80% der Zeit sind sie meist mit Hörspiel hören beschäftigt. Der Tag ist nie lang genug und es gibt überall etwas Interessantes zu entdecken! Im Prinzip, ich muss mich wiederholen, ist die Situation auf Reise nicht anders als die Situation zu Hause. Ist es auch zu Hause eine Gewohnheit für die Kids, immer nach TV zu fragen (wir haben keinen), so wird sich das unterwegs nicht ändern. Euer Umgang damit hängt nicht vom Reisen oder nicht-Reisen ab.

Unsere eigenen Dynamiken mit den verschiedenen digitalen Medien sind ständig im Fluss und nicht in Stein gemeißelt. Es gibt bei uns mittlerweile ein „Kinder-Handy“ – welches nur zu Hause zu folgenden Tätigkeiten verwendet wird: 90% Musicstreaming (Hörspiele, Hörbücher, Musik), nach Absprache zum Lesen der „Kicker“-Nachrichten und ebenfalls nach Absprache zum Spielen von „Findet Nemo“ und „Bibi und Tina“. Die kleinen malen gern auf einem alten Smartphone oder versenden Bildchen und Emojis via Messenger (falls ich etwas schreibe). Unsere 5-jährige kann dadurch mittlerweile alle Buchstaben. (Allerdings war ihr initialer Anlass, dass ihre Geschwister die gemalten Bilder auf Papier künstlerisch unterzeichnen, und so wollte auch sie unbedingt ihren Namen schreiben können.)

Weiterhin schauen wir regelmäßig verschiedenste Dokus, z.B. „Planet Erde“, oder auch „Die Sendung mit der Maus“. Digitale Medien sind ein wunderbarer Teil unserer Welt, wir sind unheimlich dankbar für all die Möglichkeiten die sich uns dadurch eröffnen. Wir ermöglichen unseren Kindern den Zugang sobald wir es für sinnvoll erachten (ja das ist sehr subjektiv) – und wir bleiben im ständigen Kontakt und beobachten, wie ihr Bezug dazu sich entwickelt.

Das ist eine große Verantwortung, die ich im Übrigen auch für mich persönlich zu übernehmen habe. Ein Feld zum ständigen Lernen. Willkommen im Leben, willkommen auf Reise.